Mittwoch, 28. Juli 2004


Auf den ersten Blick ist das Gelände fast eben und läßt sich gut gehen. Ich kann einem Trampelpfad folgen. Später jedoch geht es durch ein Lavafeld, durch das ich mühselig klettern muß. Ich spüre ein immer stärkeres Stechen links am Hacken meines rechten Fußes und als ich aus dem Lavafeld heraus bin und eine gute Stelle zum Rasten gefunden habe, ziehe ich den Schuh aus und sehe nach: Eine Blase von der Größe habe ich vorher noch nicht gesehen. Ich öffne sie und drückte die Flüssigkeit heraus, die leicht einen Fingerhut füllen würde. Dann verpflastere ich die Stelle - und weiter! Sobald die Berge erreicht sind, geht es immer an der Grenze zwischen ihren Hängen und der Lava entlang.

Immer an der Lava entlang

Der Tag hatte mit wolkenlos blauem Himmel begonnen, gegen Mittag kommt eine leichte Bewölkung auf und ab zu eine kühlende Brise. Mir wird bald klar, daß ich den Bus nicht erreichen werde. Schon nach der Hälfte des Weges empfinde ich das Gehen als so unsäglich anstrengend - wie gestern, nur daß es heute keinen Gegenwind gibt - ich fühle mich irgendwie geschwächt und lege alle zwei Kilometer eine Pause ein - spätestens.

Als ich am Fuße der letzten Hügels wieder ein Stück zu einem Lavafeld emporsteige, stehe ich plötzlich im Nebel. Es ist alte Lava, häufig mit weißgrauem Moos bedeckt und dazwischen liegen Bimssteinbröckchen, die immer mehr werden, je näher ich meinem Ziel komme. Meist ist ein Trampelpfad zu erkennen, der sich von Markierung zu Markierung schlängelt. Der Weg wird noch deutlich länger als das GPS anzeigt, weil eine Zunge des neuen Lavafeldes umrundet werden muß.

Ich überlege, ob ich vielleicht krank bin. Warum fällt mir das Gehen so schwer? sollte ich eine längere Pause einlegen oder das Wandern ganz lassen? Einige Tage die bequeme Art zu Reisen wählen? Die Landschaft ist inzwischen fast weiß von Bimsstein. Der Gegenwind hat zugenommen, ohne so stark wie gestern zu sein. Dann sehe ich in der Ebene Staubfahnen vorwärtstanzen. Ein Auto! Da ist die Straße! An der Piste angekommen, setzte ich mich an der Leeseite in den Sand und trinke meinen Rest Wasser aus. Zwei Fahrer nacheinander sehen mich dort sitzen und starren regelrecht herüber. Ist irgendwas an mir? Ich überlege, einen der von Dreki fortfahrenden Wagen anzutrampen, lasse es aber doch und gehe die letzten drei Kilometer bis zur Dreki-Hütte.

Es wird schon wieder an einem neuen Gebäude gearbeitet. Die Warden ist die selbe, die an meinem letzten Tag in Heršubreišarlindir war. Hier steht ein Reisebus. Deutsche Reisende haben ihre Zeltburg aufgestellt. Ich suche mir eine der wenigen verbliebenen Stellen, direkt neben dem Mülleimer, die mir aber Windschutz durch die Hütte bietet und Blick auf die Drekagil. Mein Zeltaufbau wird von Neugierigen von der Terrasse der Hütte aus kommentiert, ohne offenbar einen Gedanken daran zu verschwenden, daß ich sie vielleicht verstehen könnte. "Bei uns geht das nicht so schnell... wir sind ja auch keine Profis". Ich bin also Profi.

Später, ich liege schon im Zelt, stolpert so ein Trampel über eine meiner Abspannleinen und beschwert sich, daß diese dunkelgrün ist. Sie ist aber auch höchstens 20cm vom Zelt entfernt. Dürfte gar nicht so leicht sein, sich darin zu verfangen, ohne auf den Stoff zu latschen. Ein bißchen mehr Abstand läßt sich ja wohl wahren. Ist doch wohl nicht zuviel verlangt. Leute! Privatsphäre! Wenn ihr schon den ganzen Platz mit euren gegenseitigen Zurufen in Besitz nehmen müßt. Muß man unbedingt herumbrüllen, daß der Tee fertig ist?

Am nächsten Morgen lasse ich die lautstarke Gruppe abziehen und schlafe in Ruhe aus. Irgendwann im Laufe des Vormittags fange ich dann an, zusammenzupacken. Dazu lehne ich meinen Rucksack an die nahe Bank. Vom letzten noch verbliebenen Zelt kommen Alet aus den Niederlanden und Ian aus Großbritannien herüber und Alet fragt, ob sie sich meine Bank (incl. Tisch) mit mir teilen könnten. Ich packe zuende und dann sehen wir gemeinsam zu, wie ihr Kocher versucht, Wasser zu erhitzen, was er aber aufgrund des ständig wechselnden Windes nicht schafft. Ich schlage vor, in die Hütte zu gehen, aber dort sitzt eine Gruppe von Deutschen und nimmt in Beschlag. Alet bringt das Wasser im Waschgebäude fast auf Kochtemperatur und ich werde zum Kaffee eingeladen. Inzwischen sind die Deutschen aufgebrochen und wir setzen uns in die Hütte. Die Beiden waren vor mir, vom Mżvatn kommend, in der Bręšrafell-Hütte. Ich habe ihren Eintrag im Hüttenbuch gelesen.

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