Sonntag, 18. Juli 2004


Als ich auf den Wecker sehe, zeigt er 4:25 Uhr, was mir erheblich zu früh ist. Ich dreht mich wieder um, bis ich nach vielem Hin- und Herdrehen finde, daß es Zeit ist, früh oder nicht, aufzustehen. Hätte er nicht schon längst klingeln müssen? Aber er zeigt noch immer 4:25, nur daß er jetzt fröhlich mit den Segmenten der Ziffern blinkt. Ich tausche die Batterie. Erst blinkt er weiter, doch dann besinnt er sich. Laut GPS ist es kurz vor 10. Na Spitze!

Heute ist es deutlich wärmer als gestern, die Wolken sind höher, konturreicher. Allerdings gibt es auch wieder haufenweise fiese winzige Fliegen. Nach 600 m stoße ich auf einen kleinen See, ein Singschwanpaar fliegt protesttrompetend davon - vielleicht können sie auch gar nicht fliegen, ohne zu trompeten. Nach anderthalb Kilometern wäre am Ostufer des Bungnavatn ein sehr schöner Zeltplatz gewesen (schade!). Hier bin ich wieder auf einen Pferdepfad gestoßen. Allerdings nur noch einspurig. Deutlich weiter als die Trampelpfade der Schafe, in die ich manchmal sogar Mühe habe, nur einen Schuh hineinzuquetschen. Nicht für Menschen, die den Catwalk nicht gewohnt sind. Am gegenüberliegenden Ufer wieder ein Singschwanpaar, diesmal mit Jungen, die ordentlich in die Mitte genommen werden. Ein Taucher ruft. Odinshühnchen auf meiner Seite picken Fliegen von der Wasseroberfläche.

Schon in Sichtweite der Mynnisvötn muß plötzlich ein Zaun (mit Strom) überstiegen werden, der schnurgerade bis zum Seeufer verläuft. Ich lege eine kurze Rast mit Tee und dem Getröte eines einsamen Singschwan als Tafelmusik am Ufer ein. Ganz plötzlich kommen Wellen auf, Wind erhebt sich und es wird kalt. Ich ziehe meine Jacke an, trinke den Rest Tee aus und gehe los, direkt auf die Lücke zwischen den Bergen zu. Doch schon nach vielleicht 500 m reißen die Wolken auf, der Wind legt sich. Es wird sehr warm und ich muß die Jacke wieder ausziehen.

Nymmisvötn

Wenn ich mich gewundert habe, warum der einzelne blaue Klecks mit Nymmisvötn, also im Plural bezeichnet wird - jetzt sehe ich's. Von weiter oben sind mehrere Seen zu erkennen, die im Frühjahr, während der Schneeschmelze, vielleicht miteinander verbunden sind. Mein nächstes Ziel ist der Mórillukvisl im Mórilludalur. Nach der Bachdurchquerung, der ersten in diesem Jahr (über die bisherigen konnte ich mich hinwegmogeln), habe ich mir eine Pause versprochen. Ein sehr schönes Tal: Grün (mit richtigem Gras), leicht gewellt, Nebenbäche schlängeln sich strahlend blau und moosgrüngesäumt. Auf der anderen Seite plätschern an zahlreichen Stellen Bäche aus der etwas höheren Umgebung herab. Bin versucht zu bleiben. Aber ich hinke schon so weit hinter meinem Zeitplan her.

Mórillukvisl

Doch am nächsten Bach, nach etwa 3 weiteren Kilometern, ist der Ofen aus. Ich kann nicht mehr, mir ist leicht übel (Anstrengung? Wassermangel?). Außerdem ziehen dunkle Wolken heran, und dem Regen will ich lieber im Zelt als auf der Suche nach einem Platz begegnen.

Heute gab es wieder reichlich Bulten. Auch wenn die Lücken dazwischen meist trocken waren, sind die ständigen großen Schritte von einem zum nächsten kraftraubend. Jetzt plätschert draußen der Bach. Ich habe eine trockene Stelle gefunden, gerade groß genug für das Zelt. Die weitere Streckenplanung habe ich geändert, um den Zeitplan noch einhalten zu können. Stórifoss ist gestrichen. Ich werde direkt zu der Stelle laufen, an der ich die Hafralónsá überqueren will und erwarte, durch die Abkürzung wieder im Plan zu sein. Kann nur hoffen, daß meine Kräfte morgen wieder da sind. 15 km am ersten und zweiten Tag, und danach wird aufgedreht. Naja, eine Karte habe ich wenigstens wieder abgelaufen.

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